7 + 1 Prinzipien im Krav Maga

7 + 1 Prinzipien des Krav Maga.

Krav Maga ist ein reines Selbstverteidigungssystem. Ein reines Selbstverteidigungssystem für die Anforderungen unserer Zeit. Kein Kampfsport. Keine Budoromantik. Keine Meisterverehrung. Wir tragen beim Training keine asiatischen Schlafanzüge, sondern Sport - oder Straßenkleidung. Als sich stetig entwickelndes System beruht es nicht nur auf dem Auswendiglernen von Techniken, sondern auch auf Prinzipien und deren Anwendung. Sicher gibt es so viele Prinzipien nach denen man sich richten kann, wie es mittlerweile unterschiedliche Auslegungen des Krav Maga gibt, doch kann man sie zu diesen großen sieben zusammenfassen, wie wir sie bei Krav Maga Cologne trainieren:

1.) Don`t be there!

(Scan the area; if you can, run; fight or flight, never freeze)

Dieses erste Prinzip wird im Training oft übergangen. Sei einfach nicht da! So dumm es klingt, aber so einfach kann es manchmal sein. Oder auch nicht. Einfach nicht da zu sein wo es den Ärger gibt ist natürlich eine perfekte Lösung, funktioniert aber leider nicht immer. Dieses erste große Prinzip fasst mehrere Prinzipien zusammen. Es beginnt mit Achtsamkeit. Achtsam, oder aktiv die Umwelt zu beobachten kann mich schon einmal vor größeren Missgeschicken oder gar Verletzungen bewahren. Blind auf mein Smartphone starrend über die Straßen zu laufen ist hier sicherlich nicht gemeint. Achtsam und aktiv bedeutet die Umwelt zu beobachten, sie wahr zu nehmen. Irritationen, "Red Flags" früh zu erkennen. Ein Auto welches trotz grüner Fußgängerampel nicht anhält nehme ich wahr wenn ich aktiv durch die Welt gehe. Ich kann ausweichen.

Auch die fünf zwielichtigen Typen dort vorne auf dem Bürgersteig nehme ich wahr und wechsel ganz einfach die Straßenseite. Ich bin nicht da. Hier spielt auch das Bauchgefühl eine wichtige Rolle.

Auch bei bereits eskalierter Situation und Bedrohung mit einer Waffe wie zum Beispiel einem Messer, habe ich oft genug die Möglichkeit einfach weg zu laufen. Don`t be there! Vermeide die Gefahr. Dies sollte immer die erste Wahl sein. 

Interessierten sei hier auch die "Cooper Skala" zur Vertiefung des Themas empfohlen.

Aktives Bewegen in der Umwelt bringt uns zum zweiten großen Prinzip.

2.) Active Positioning

(Scan the area; Watch your six)

Active Positioning, das bewusste, aktive einnehmen einer Position im Raum, kann während einer Konfrontation wichtig sein, beginnt aber schon viel früher. 

Wohin setze ich mich in einem Taxi? Wohin stelle ich mich in der Straßenbahn? Welchen Platz nehme ich in einem Restaurant ein, oder in einer Bar? 

Ein gutes Beispiel für dieses Prinzip liefert uns Jason Bourne in dem Film "Die Bourne Identität":

"Das erste was ich tat, als ich hier hereinkam, war zu schauen wo der Notausgang ist. Ich kann dir die Nummernschilder aller sechs Autos vor der Tür nennen. Unsere Kellnerin ist Linkshänder, und der Kerl an der Theke wiegt 215 Pfund und weiss sich zu bewegen. Der beste Platz um nach einer Waffe zu suchen wäre die Kabine des Großen Trucks vor der Tür."

Nun sind die meisten von uns keine Superspione, aber ein wenig können wir uns abschauen von dieser aktiven Positionierung im Raum.

Auch während einer bereits stattfindenden Konfrontation wird "Active Positioning" wichtig sein.

Wie nahe muß (darf) ein fremder Mensch an mich herantreten um nach der Uhrzeit zu fragen? Oder hat er doch andere Absichten? Mit dem Arm um meine Schulter habe ich "Active Positioning" bereits sträflich vernachlässigt und befinde mich evtl. in akuter Gefahr. 

3.) K.I.S.S.

(Fight the highest danger first; preemptive attack)

K.I.S.S. steht für "Keep It Simple And Stupid". In einer Stress Situation auf der Straße, in der mein Leben bedroht ist funktionieren keine komplizierten Technikabläufe. Wer das vermittelt, lügt bewusst, oder hat schlicht keine Ahnung wovon er redet. 

Ein gekürzter Auszug aus dem Buch "Krav Maga, effektive Selbstverteidigung" von Carsten Draheim kann hier verdeutlichen was ich meine.

 

"Im Kampf, in einer brenzligen Situation, kann innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde ein Puls von über 220 erreicht werden, und folgendes kann/wird passieren:

Bei einem Puls von 115 verlieren wir unsere Feinmotorik, wir werden nur noch grobmotorisch arbeiten. Ein nicht im Drilltraining geübter Magazinwechsel wird nicht mehr funktionieren, eine halbherzig imKrav Maga Training trainierte Technik ebenso wenig.

 

Bei einem Puls von 140 setzt der Gehirnabschnitt aus, der für unser Gehör zuständig ist. Für einen Kampf fatal. Was macht mein Buddy, warnt er mich gerade?

 

Bei 170er Puls wird es sehr unangenehm, wir verlieren 70% unserer Sehkraft (Tunnelblick), haben also noch 30% und diese sind in die Ferne gerichtet. Feinmotorisch am Gegner arbeiten? No way!

 

Ab 195er Puls handeln wir irrational, wir geben auf, werfen uns auf den Boden, der Schließmuskel kann sich öffnen, schreien, weinen...egal was... es wird irrational!"

 

Ausgeklügelte Techniken? Komplizierte Vorgehensweisen? Druckpunkt Niere 17? Fehlanzeige! Grobmotorische Techniken, getestet in ehrlichen Stessdrills werden uns hier helfen die Situation für uns zu entscheiden und den Platz möglichst unverletzt zu verlassen.

Unter "simpel" kann übrigens auch fallen als erster zuzuschlagen. In 80% der Fälle gewinnt derjenige den Kampf der ihn beginnt. Simpel? Ja. Einfach? Nicht immer.

4.) Aim to inflikt damage, not pain!

(Rabak)

Wir kämpfen "auf der Straße". Ums Überleben. Keine Regeln, keine Matten, keine Referees. 

Das deutsche Notfallrecht müssen wir in einer solchen Situation ausblenden, unser Gegner tut das nämlich gerade auch. Wir wollen die gefährliche Situation so schnell wie möglich und so unverletzt wie möglich beenden. Hier davon auszugehen mit einem lässigen Gelenkhebel, oder gar mit Aktivierung des Druckpunktes "Magen 7" unseren Gegner zur Aufgabe zu zwingen wird mich nur in noch größere Gefahr bringen.

Wir möchten so schnell wie möglich, so viel wie möglich Gewalt auf unseren Gegner übertragen. Wir möchte rasen und wüten (arab. "Rabak"). Wir möchten ihn verletzen. Wenn möglich so stark, dass er nicht mehr in der Lage ist uns weiterhin anzugreifen. Füge nicht nur Schmerz zu. Schalte den Gegner aus. Komme sicher nach hause.

5.) Retzev

(Don`t stop until they drop)

"Retzev" ist hebräisch und bedeutet "fortgesetztes Handeln" oder "fortgesetzte Bewegung". Übertragen auf eine Selbstverteidigungssituation bedeutet dies ständig aggressiv weiter anzugreifen bis der Gegner neutralisiert ist. Mit ununterbrochen fortgesetzten Attacken überwältige ich das Reaktionsbewusstsein des Angreifers und unterdrücke so seine Gegenmaßnahmen im Keim. Der so unter Dauerbeschuss geratene Gegner kann die schnell und ständig aufeinander folgenden Attacken nur schwer verarbeiten, wird getroffen, irritiert und/oder in eine defensive Haltung gezwungen. Ideale Voraussetzungen für mich um den Kampf zu beenden. Nicht jedoch ohne evtl. noch einen Stein aufzuheben und ihn auf den Gegner zu schleudern um meinen Rückzug zu decken.

6.) Prepare for the unknown!

Bereite dich auf das Unbekannte, das Unerwartete vor. Soweit das möglich ist. Wenn eines sicher ist in einer Selbstverteidigungssituation, dann die Tatsache dass sie nie so verlaufen wird wie ich mir das vorstelle oder trainiert habe. Der Angreifer ist ein Freund der zuviel getrunken hat? Hoppla, damit habe ich jetzt aber gar nicht gerechnet. Der Angreifer hält das Messer in der linken, statt in der rechten Hand? Das haben wir aber anders trainiert. Ich sitze auf einem Stuhl, liege auf einem Bett, stehe in einem Aufzug? Und warum landet jetzt von hinten eine Flasche auf meinem Kopf, wo mein Gegner doch VOR mir steht? 

Wenn nicht mit solchen "Überraschungen" trainiert wird, wenn sie nicht mit speziellen Übungen gedrillt werden, bringt uns die auswendig gelernte Technik nur mit Glück weiter. Schüler sollten also trainieren in unvorteilhaften Positionen zu kämpfen. Schlagdrills im stehen, sitzen, knien oder liegen sollten ebenso Teil des Trainings sein wie ständiges "scannen" nach neuen Gefahren oder Gegnern. Spätestens Fortgeschrittene sollten lernen gegen mehrere Gegner zu kämpfen von denen sie nicht wissen ob sie bewaffnet sind oder nicht.  Wer so vorbereitet ist den wird wenig überraschen!

7.) Never give up!

(Giving up means death)

Egal was passiert. Aufgeben ist niemals eine Option! Warum geben wir nicht auf? Ganz einfach: Aufgeben kann den Tod, schwere Verletzungen oder Vergewaltigung bedeuten.  Aber es ist schwer nicht aufzugeben wenn du niedergeschlagen wurdest. Oder von einer Person niedergedrückt wirst die doppelt so groß und doppelt so schwer ist wie du. Aus diesem Grund schult Krav Maga nicht nur deine Kondition, deine Stärke und deine Technik. Krav Maga schult und weckt auch deinen Kampfgeist. Dieser mentale Teil des Trainings wird dich schaffen. Dein Trainer wird dich pushen, dich aggressiv machen, dich auf deine Urinstinkte reduzieren. Klingt komisch? Richtig. Aber die Mentalität die man braucht um gegen alle Widrigkeiten weiter zumachen ist schwer zu vermitteln. Sie kann nur erfahren werden. Verlass dich hier einfach auf deinen Trainer, er kennt viele Übungen um diese Mentalität zu erschaffen. Sie bestehen hauptsächlich aus einem Schlagpad und der Ansprache: "Ist das alles du Bastard"?

Gib ihm die passende Antwort, denn: Aufgeben ist niemals eine Option!

+1) Get as strong as fuck!

Dieses achte Prinzip entstammt nicht dem Krav Maga sondern wurde von mir hinzugefügt. Schon vor meiner Zeit im Krav Maga, und auch jetzt noch, beschäftigte ich mich mit einigen Stilen der "Internal Martial Arts". Diese Stile trainieren die "Chi" Kräfte des Menschen und lassen ihn ganz erstaunliche Dinge tun. Es soll sogar schon einmal funktioniert haben. Während eine solchen Seminars fragte ich einen renommierten Lehrer dieser Künste aus Hong Kong, was er für wichtig hielte für einen Kampf auf der Straße. "Get as strong as fuck!" War seine überraschende Antwort. Selbst dieser langjährig Praktizierende dieser Künste wußte worauf es ankam. "Don`t try this in the Streets!" sagte er und verließ sich beim echten Kämpfen doch lieber auf seine Körperkräfte. Doch nicht um reine körperliche Stärke geht es hier. Kraft, Fitness, Ausdauer, Durchhaltevermögen und nicht zuletzt mentale Stärke, sind alles Teile des Puzzles, die uns eine körperliche Bedrohung überstehen lassen. Im Krav Maga wird allen diesen Attributen im Training bereits viel Zeit gewidmet. Es schadet aber trotzdem nicht darüber hinaus ab und zu einmal eine Runde laufen zu gehen, oder die eine oder andere Stange Eisen zu biegen. Letztendlich dient es nicht nur unserem Überleben sondern auch unserer Gesundheit. Auf geht`s. Get as strong as fuck!